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Verbände begrüßen Urteil und fordern Systemwechsel für Kindergrundsicherung

09.02.2010 „Höhere Kinderregelsätze können nur ein erster Schritt sein“
AWO, Deutscher Kinderschutzbund, GEW und ZFF setzen sich für echte Chancengleichheit ein und fordern eine Grundsicherung für alle Kinder

„Wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das endlich zu höheren Regelsätzen für die Kinder im Sozialgeldbezug führen muss“, sagten die Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Deutschen Kinderschutzbundes, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie des Zukunftforums Familie (ZFF). Zugleich betonten sie im Namen des Bündnis Kindergrundsicherung: „Höhere Kinderregelsätze können nur ein erster Schritt sein. Die nun höchstrichterlich verlangte eigenständige Berechnung des tatsächlichen Bedarfs von Kindern löst nicht die grundsätzlichen Systemmängel unserer milliardenschweren Familienförderung.“

„Es ist schon lange klar, dass die gültigen Regelsätze für Kinder im Sozialgeldbezug den wirklichen Bedarf nicht decken. Ein etwa achtjähriges Kind kann von 251 Euro im Monat nicht vernünftig ernährt und gekleidet werden, geschweige denn am normalen Leben seiner Altersgruppe teilnehmen. Soziale Ausgrenzung, schlechtere Bildungschancen und gesundheitliche Defizite sind die Folgen“, erläutert der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

Deshalb haben alle Verbände seit langem gefordert, dass die Regelsätze für Kinder erhöht und ihr tatsächlicher Bedarf eigenständig ermittelt werden müssten, statt diesen prozentual aus dem Hartz IV-Eckregelsatz für Erwachsene abzuleiten.

„Doch höhere Kinderregelsätze alleine lösen die gravierenden Systemmängel unserer derzeitigen Familienförderung nicht: Dieses System ist insgesamt sozial ungerecht, bürokratisch und intransparent“, betont der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. „So bevorzugen die Kinderfreibeträge und Steuererleichterungen gutverdienende Familien, während Sozialgeldbezieher nicht mal von der Kindergelderhöhung profitieren. Diese wird ihnen in voller Höhe abgezogen.“

Das milliardenschwere System der Familienförderung habe nicht verhindert, dass mittlerweile mehr als 2,4 Millionen Kinder in unserem reichen Land offiziell als arm gelten, kritisieren die Verbände.

„Wenn jetzt zur bürokratischen Ermittlung komplizierter Regelsätze ein weiterer Streit um Centbeträge in unübersichtlichen Warenkörben anhebt, wird das wirkliche Problem weiter verdeckt“, unterstreicht GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne. Bereits vor Jahren habe das Bundesverfassungsgericht das sächliche Existenzminimum von Kindern mit 322 Euro im Monat beziffert. Hinzu kommt der Bedarf für Bildung, Betreuung und Erziehung von 180 Euro im Monat.

„Unsere Gesellschaft braucht alle Kinder! Und alle Kinder brauchen eine chancengleiche Grundlage für ihr Aufwachsen, sowohl finanziell als auch durch kostenfreien Zugang zu Bildung, Betreuung und Erziehung“, betont die ZFF-Vorsitzende Christiane Reckmann. „Deshalb fordert das Bündnis Kindergrundsicherung die Politik zu einem mutigen Systemwechsel der Familienförderung auf.“

"Bereits seit April 2009 bringen wir mit unserer Forderung nach einer Kindergrundsicherung von 502 Euro soziale Gerechtigkeit in die Familienförderung. Die Kinder von geringverdienenden oder langzeitarbeitslosen Eltern brauchen endlich eine bedarfsdeckende Förderung, um mit all ihren Potenzialen in unsere Gesellschaft hinein zu wachsen“, betonen die Vorsitzenden im Namen des Bündnis’ Kindergrundsicherung.

Info: Im Bündnis Kindergrundsicherung haben acht Verbände und acht namhafte Sozialwissenschaftler einen konkreten Vorschlag für einen echten Systemwechsel gemacht (www.kinderarmut-hat-folgen.de). Der Vorschlag zieht die Lehren aus dem skandalösen Anwachsen der Kinderarmut und den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Solange die Politik entgegen all ihrer Sonntagsreden den kostenlosen Zugang zu Bildung und Betreuung nicht endlich durchsetzt, sondern die Gebühren und Zuzahlungen von der Krippe bis zur Uni ständig steigen, fordert das Bündnis eine Kindergrundsicherung für alle Kinder von 502 Euro im Monat. Die neue Leistung soll alle bisherigen Förderungen ersetzen und der Einkommensbesteuerung unterliegen.