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AWO Stellungnahme zu Regelbedarfen für Kinder

01.10.2013 Der Bundesverband der AWO übermittelte gestern dem Bundesverfassungsgericht seine Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des Bundessozialgerichts und des Sozialgerichts Oldenburg*, die sich mit der Bemessung der Regelbedarfe für leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres befasst. „Aus Sicht des AWO Bundesverbandes ist das Existenzminimum weiterhin nicht durch die Regelbedarfe abgedeckt, deshalb stimmt die AWO den Beschwerdeführern zu“, erklärt der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

Der AWO Bundesverband sieht die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt: „Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und dem hierzu ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010“, urteilt der AWO Bundesvorsitzende. Die AWO teilt außerdem  die Kritik der Beschwerdeführenden an der Festlegung der unterschiedlichen Referenzeinkommensbereiche für Alleinstehende einerseits und Familien andererseits. „Besonders problematisch bezogen auf die Bemessung der Regelbedarfe leistungsberechtigte Kinder ist jedoch, dass viele der als relevant festgeschriebenen Verbrauchsausgaben nur auf sehr geringen Stichprobenfällen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) basieren. Die Zuverlässigkeit der momentanen Werte darf deshalb bezweifelt werden.“

Für die Bedarfe von Kindern hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 den Leitsatz aufgestellt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen seien. Ihr Bedarf müsse sich an kindlichen Entwicklungsphasen und an dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich sei, ausrichten. Doch die Neuberechnung des Regelbedarfes führte zu keiner Erhöhung. Erst die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen anhand der Veränderungsrate des sog. Mischindex aus Preisentwicklung und Entwicklung der Nettolöhne und – gehälter hat zu kleineren Erhöhungen geführt, die jedoch keinesfalls die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abdecken.

Auch die im Zuge des Regelbedarf-Ermittlungsgesetzes eingeführten Leistungen für Bildung und Teilhabe bewirken nur dann eine tatsächliche Verbesserung der Teilhabechancen einkommensschwacher Familien, wenn sie bei diesen ankommen. Momentan verhindern jedoch erhebliche bürokratische Hürden einen niedrigschwelligen Zugang der Betroffenen zu den Leistungen und führen zu unverhältnismäßigen öffentlichen Kosten.

Wie bereits in früheren AWO-Stellungnahme plädiert die AWO für die Weiterentwicklung der Bedarfsermittlung und fordert, die Vermischung von Statistik- und Warenkorbmodell aufzuheben und in ein transparentes und sachgerechtes Verfahren der Bedarfsermittlung zu überführen. Jenseits der verfassungsrechtlichen Frage nach der Angemessenheit der Höhe des Regelbedarfs sollten auch alternative Konzepte zur Deckung des Existenzminimums von Kindern berücksichtigt werden. „Denn nur auf diese Weise können die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, damit jedes Kind von Anfang an eine faire Chance hat und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verwirklichen kann“, so Wolfgang Stadler.

Zur ausführlichen Stellungnahme des AWO Bundesverbandes.

* Urteile des Bundessozialgerichts vom 28. März 2013 (Az: B 4 AS 12/12 R) und des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 (Az: S 48 AS 1136/11)
- 1 BvR 1691/13  -